Souveräne Exkursion durch die Orgelliteratur

Ondrej Hornas an der Zwieseler Orgel
Ondrej Hornas an der Zwieseler Orgel

Ondrej Hornas präsentiert bei Orgeltagen klassisches Programm

Zwiesel. Nach dem „rockigen“ Einstandskonzert der diesjährigen Zwieseler Orgeltage tat es gut, dass am zweiten Abend der junge tschechische Organist Ondrej Hornas mit einem ganz klassischen Programm aufwartete.
Meistens eignen sich vor allem kleinere Orgeln in erster Linie für ein ganz bestimmtes Literaturspektrum, aber große Instrumente wie in der Zwieseler Stadtpfarrkirche mit vier Dutzend Registern ermöglichen so ziemlich jede Art von Musik. Das bewiesen die beiden ersten Konzerte der Orgeltage einmal mehr.

Das Programm von Ondrej Hornas begann mit einem der schwersten und umfangreichsten Stücke Johann Sebastian Bachs, Praeludium und Fuge Es-Dur aus „Clavirübung III“. Der Künstler spielte sehr klar und durchsichtig, kein Detail ging in dem großen Kirchenraum verloren und auch die – oben am Spieltisch als Gast sehr schwer einzuschätzenden – Klangverhältnisse waren gut ausbalanciert.

Relativ selten bekommt man den Hauptwerksprincipal der Orgel, eigentlich „das“ Hauptregister, alleine zu hören. Mit diesem schönen Register intonierte der Solist die nicht sehr oft zu hörende Ciacona in e von Deterich Hansen Buxtehude. Er widerstand der Versuchung, mittels Klangwechseln ein „Varieté“ aus dem Stück zu machen und gestaltete alleine mit Hilfe geschickter Artikulation – es muss nicht immer, wie einem die Musikwissenschaft weismachen möchte, Plenumklang sein ...

Die strahlenden Zungenregister kamen so richtig zur Geltung bei dem „Offertoire sur les grand jeux“ aus der Messe des Couvents von François Couperin. Noch ein Stück aus „Clavirübung III“ von Johann Sebastian Bach folgte: das entzückende Trio „Allein Gott in der Höh’ sei Ehr“.

Wer die großartige Fantasie f-moll von Wolfgang Amadeus Mozart hört, denkt nicht daran, dass dieses Stück ursprünglich nicht dazu gedacht war, von Menschenhänden und -füßen gespielt zu werden, sondern es wurde für eine Orgelwalze in einer Spieluhr geschrieben. Dieses Werk, das dem Spieler alles abverlangt, strahlte hier eine archaische Größe aus.

Die Organisten kennen von Felix Mendelssohn-Bartholdy seine sechs Orgelsonaten und drei Präludien und Fugen. Weniger bekannt ist, dass er auf Drängen englischer Freunde der Orgelmusik 1844 eine Serie von 244 Stücken für Orgel veröffentlichte. Das daraus entstammende „Thema mit Variationen D-Dur“ ist eine wunderhübsche Bereicherung des Orgelrepertoires.

Schon oft in Zwiesel zu hören war „Carillon de Westminster“ des Pariser Nôtre Dame-Organisten Louis Vierne, der den gewaltigen Nachhall dieser großen Kathedrale quasi mit einbezogen hat in die Komposition. Grandios und untadelig gespielt war dieses Stück ein würdiger Abschluss des offiziellen Programms. Bei der Zugabe tippten hinterher die Zuhörer auf Louis James Alfred Lefébure-Wely, aber ganz falsch: Sein italienischer Zeitgenosse Vincenzo Petrali (geb. 1820) schrieb in seinen jungen Jahren ähnliche Stücke, bevor er sich dem Caecilianismus zuwandte. Das marschmäßige Verset war ein Abschluss zum Schmunzeln.

Aurel von Bismarck
Bayerwald-Bote 28.09.2016