Fulminanter Ausklang für Zwieseler Orgeltage 2012
Zwiesel: Während nach einer Hochzeit das „verflixte 7. Jahr“ zu befürchten sein kann, bringt uns das 7. Jahr Warten auf ein Wiedererwecken der Zwieseler Orgeltage hingegen endlich diese wunderbare, damals alljährliche Veranstaltung wieder zurück. Eigentlich war sie als zentrale musikalische Einrichtung um die Zwieseler Stadtpfarrkirche St. Nikolaus mit ihrer Eisenbarthorgel gar nicht wegzudenken, denn wann sonst kann man dieses vielgelobte Instrument auf so eine Art erleben, wenn es nämlich konzertant ausgereizt wird und man all seine Facetten zu hören bekommt? Immerhin verfügt die Orgel von 1979 über 48 Register, ein italienisches Rückpositiv, ein französisches Schwellwerk und ein Hauptwerk mit spanischer Trompete.
Nach den drei vorangegangenen, sowieso schon herausragenden und erstaunlichen Konzerten in dieser Reihe, die Dank des Förderkreises „Klingende Kirche“ nun endlich wieder lebt, durfte man am Freitag den letzten musikalischen Edelstein bestaunen. Durch die bemerkenswerten Musiker Paul Windschüttl(Trompete) und Prof. Norbert Düchtel(Orgel) wurde es ein Diamant. Es war ganz offensichtlich eine Liebesheirat von Trompete und Orgel, der sich die Komponisten und Arrangeure, die sich einem da aus dem Programmheft heraus präsentierten, gewidmet haben. Übrigens wurde, wie auch bei den vorangegangenen Orgelabenden die Empore während des Konzertes gefilmt und live auf eine Leinwand im Altarbereich projiziert, sodass man nicht „nur“ hören, sondern auch sehen konnte, wer da den Kirchenraum in eine so musikalisch feierliche Atmosphäre taucht.
Den Konzert-Auftakt stellte Alessandro Stradellas Sinfonia avanti Barcheggio in 4 Sätzen dar, die Prof. Düchtel eigens für Orgel bearbeitet hat. Schon beim ersten Ton war klar, daß dieser Konzertabend sich auf höchstem musikalischen Niveau abspielen wird. In diesem barocken Werk schwebte die Trompete strahlend hell durch den Kirchenraum, zurückhaltend auf einem duftigen Orgelbett. Das Verhältnis zwischen Trompete und Orgel war genau ausbalanciert.
Mit dem nächsten Werk, dem Concerto IV op.10 von John Stanley konnte man sich auf die nun solistischen Orgelklänge konzentrieren, sehr virtuos zeigt sich Düchtel jetzt, seine Hände krabbeln wie Ameisen über das Manual, dann ein rührendes Andante gefolgt von einem marschartigen Rondeau und einem dynamisch interessanten Vivace, bei dem sich ganz neue Klangfarben der Orgel hervortaten.
Das nächste Concerto in C-Dur op. 6 Nr. 19 von Valentin Rathgeber war ein gefälliges Werk, im Adagio trat die Trompete ungewöhnlich scharf hervor.
Was dann folgte war die Deuxiéme Suite op. 27 von Léon Boёllmann für Orgel, deren 4 Sätze auf den restlichen Abend verteilt wurden. Die ungewöhnlichen Harmonien fielen im Kontrast zu den vorangehenden älteren Werken besonders erfrischend auf, ein sehr melodiöses Werk mit vielen überraschenden Wendungen, durch die häufigen Punktierungen lag auch etwas Swingendes darin. Die Stimmungen reichten von gruselig, fast zirkushaft, über doch wieder hell und glücklich bis hin zu einem phantastischen Einschlag. Das ein oder andere Mal hätte man sich einen etwas freieren Umgang mit musikalischen Verzögerungen wünschen können, kamen doch manche Ritardandi oder freiere Passagen zwischen den Themen etwas eingeengt daher.
César Francks bekanntes Werk Panis Angelicus in einer Bearbeitung von Düchtel selbst war für viele Zuhörer sicherlich das berührendste Stück des Abends. Der Organist verstand es, aus der Orgel ein Streichorchester zu machen, daß einen warmen weichen Teppich wob, in welchem einzelne goldene Fäden zum Vorschein kamen, die im klanglichen Dialog mit einem unglaublich herzlich-väterlichen Trompetenton standen. Ein sehr feierliches, ehrwürdiges Werk.
Beim Idyll aus der Orgelsonate Nr. 14 von Joseph Rheinberger in einer Bearbeitung von O. Faulstich spielten Paul Windschüttl und Prof. Norbert Düchtel mit dem Nachhall in der Kirche. Man spielte gezielt in den Nachhall des Anderen hinein, der Töne extra nur kurz anstieß und erzeugte damit ganz neue Harmonien und Klangbilder. Windschüttl blieb trotz der großen Tonsprünge brilliant und warm im Ton, ein scheinbar unverwüstlicher Ansatz. Bilder von einer Berglandschaft schlichen sich in die Köpfe der Zuhörer.
Das wohl aufregendste Werk des Abends war das am Ende Stehende, eine Sonatina für Trompete und Orgel op. 19 in drei Sätzen von Hans Uwe Hielscher. Der zeitgenössische Komponist kam sehr humorvoll und modern, doch aber völlig tonal daher. Ein galoppartiges Con Brio zu Anfang vermittelte beinahe einen Eindruck von Western, beim zweiten Satz Canzona hörte man deutlich wieder die Streicher und auch Flöten. Das Finale war rhythmisch aufreibend, pulsierende Basstöne lebten im Nachhall weiter, ein Opus von beeindruckender Vielfalt in jeglicher Hinsicht.
Zu zwei Zugaben konnte das begeisterte Publikum die Musiker noch verleiten: Der Einsame Hirte von James Last und ein Stück aus Georg Philipp Telemanns getreuem Musikmeister.
Zusammenfassend muß man sagen, ist die Besetzung Orgel und Trompete wie für diese Kirche und diese Orgel geschaffen. Wenn dann auch noch solche Könner wie Paul Windschüttl und Prof. Norbert Düchtel am Werk sind, dann trifft einfach alles füreinander Geschaffene aufeinander. Jeder Winkel des Kirchenbaus wurde musikalisch wohlig, beinahe schon weihnachtlich ausgefüllt mit Klangfarben, die man sich vorher nicht einmal hätte vorstellen können, mit dem Nachhall wurde respektvoll umgegangen, nicht nur Düchtel, nein auch Windschüttel zog alle Register.
Professor Norbert Düchtel absolvierte sein Studium des Orgelspiels, der Komposition und der katholischen Kirchenmusik an den Hochschulen für Musik in Würzburg und München. Seit 1979 ist er Dozent für künstlerisches Orgelspiel und Improvisation an der Hochschule für Katholische Kirchenmusik und Musikpädagogik in Regensburg. Er ist auch als Konzertorganist und Sachverständiger für Orgelbau und konzipierte die neue „Papst-Benedikt-Orgel“ in Regensburg.
Paul Windschüttl studierte Kirchenmusik an der Fachakademie (jetzt Hochschule) für katholische Kirchenmusik Regensburg und anschließend das Fach Trompete an der Hochschule für Musik in München. Er gibt Konzerte in ganz Europa (solo und in verschiedenen Blechbläser-Ensembles).
Wie gut, daß diese beiden Musiker sich hier zusammengefunden haben und wir Zeugen dieses musikalischen Hochgenusses werden konnten; man darf auf ein Wiedersehen- und hören hoffen! Vielleicht nächstes Jahr bei den Zwieseler Orgeltagen 2013?
Henriette Olbertz