Ein fulminantes Orgelfest

Drahomira Matznerová an der Zwieseler Orgel - Foto: Aurel v. Bismarck
Drahomira Matznerová
an der Zwieseler Orgel
Foto: Aurel v. Bismarck

Erster Abend der Zwieseler Orgeltage mit Drahomira Matznerová in der Stadtpfarrkirche

Zwiesel. Seit gut 25 Jahren beglückt die große dreimanualige Eisenbarth-Orgel in der Zwieseler Stadtpfarrkirche sowohl Spieler als auch Gottesdienstbesucher und Konzertbesucher gleichermaßen in ihrem jetzigen Zustand als großzügiges und vielseitiges Instrument.
Nachdem es Unterbrechungen gab, finden seit einigen Jahren wieder die „Zwieseler Orgeltage“ statt.
Arbeitskreis „Klingende Kirche“ und katholische Gemeinde stellen immer wieder tolle und attraktive Programme auf die Beine - so auch dieses Jahr.
Trotz eines genau zeitgleichen Gospelkonzerts in Frauenau zog das Programm des ersten Abends der diesjährigen Orgeltage unter dem Titel „Toccata meets Jazz“ eine stattliche Besucherzahl an.
Dramira Matznerová aus Prag hatte einige der bekanntesten „Reißer“ der französischen Spätromantik als tragende Säulen des Programms ausgesucht, zwischen die sie unbekanntere Stücke mischte, manche mit unverkennbarem Jazz-Einschlag. Wie der „Who is who?“ der französischen Orgelromantik lesen sich die bekannteren Stücke des Abends.
Jacques Nicolas Lemmens war Schüler von Adolph Friedrich Hesse in Breslau und lässt sich über Hesse und dessen Lehrer bis hin zu Johann Sebastian Bach zurückverfolgen - diese Tradition gibt er unter anderem an seine Schüler Alexandre Guillmant und Charles Marie Widor weiter, die diese Tradition bis zur Gegenwart fort führen. Das wohl bekannteste Stück von Lemmens ist die unermüdlich sich bewegende Fanfare D-Dur.
Die Solistin aus Prag konnte sich keine bessere Visitenkarte für den Beginn des Konzertes aussuchen: rhythmisch prägnant und blitzsauber und gut registriert, dabei noch gut durchhörbar.
Anton Piazzolla, bekannt eigentlich als Komponist von mitreißenden Tangos, kam zu Wort mit einem entzückendem zarten „Ave Maria“, bevor die bekannte Toccata aus Charles Marie Widors 5. Orgelsymphonie den Raum durchflutete. Viele Organisten trauen sich an das keineswegs einfache Stück, doch nur die wenigsten würden unter den gestrengen Ohren des Lehrmeisters Widor bestehen - die Organistin dieses Abends sicher schon...
Toccata meets Jazz - oder Widor meets Michel: sehr jazzige Harmonien bei der Intrade und dem Choral „Hilf, Herr meines Lebens“ von Johannes Matthias Michel, seines Zeichens umtriebiger Kantor an der 95-registrigen Steinmeyer-Orgel der Mannheimer Christuskirche und Landeskantor für den Nordteil der evangelischen Kirche in Baden.
Nach der Toccata c-moll von Ernest Halsey und einem schönen Song von Gregor Simon ließ eine Pastorale des tschechischen Komponisten Zdeněk Pololánik aufhorchen. Es fand weniger eine Pastorale statt, wie wir sie kennen, sondern das war eher die Stimmung, in der sich die Hirten damals bei der Nachricht von der Geburt Christi befunden haben müssen: aufgewühlt, ohne zu wissen, was ihnen wirklich geschah ... ein insgesamt sehr farbiges Stück ...
Sigfrid Karg-Elert war ja schon immer für seine impressionistische Harmonik bekannt, weniger dafür, auch Salonmusik für die Orgel geschrieben zu haben. Sein „Valse mignonne“ op. 142, No. 2 war ein treffendes Beispiel dafür. Stilsicher mit den verschiedensten Flöten und Streichern registriert, verfehlte das Stück seine Wirkung nicht.
Die „Suite Gotique“ op. 25 des französischen Komponisten und Organisten Léon Boëllmann ist eines der bekanntesten und zugleich mitreißendsten Werke der Orgelliteratur. Sehr viel gespielt daraus wird die Toccata. Bei der Interpretation von Frau Matznerová passte alles: die perfekt durchgehörte Registrierung, das Tempo und - die Orgel, die für die Wiedergabe der romantisch-französischen geradezu prädestiniert ist.
Alexandre Guilmant war mit der Pastorale op. 26 vertreten, Louis James Alfred Lefébure-Wely mit dem bekannten - sehr schnell gespielten - Sortie Es-Dur.
Es gab noch einige „jazzorientierte“ Stücke - von denen sich Christopher Pardinis Toccata on Gospel „Amazing Grace“ besonders heraus hob.
Krönender Abschluss - es gab leider keine Zugabe - des gelungenen Einstands der diesjährigen Orgeltage war der letzte Satz aus der d-moll Symphonie von nochmal Alexandre Guilmant - wirklich in jeder Hinsicht grandios.
Einzig schade war, dass wegen technischer Probleme die Videoübertragung nicht stattfand - aber dafür war der Hörgenuss umso größer ...

Aurel v. Bismarck